150 Jahre Emmentalbahn: Von der Pferdebahn zur BLS AG

Die Strecken der ehemaligen Emmentalbahn gehören zu den ältesten im BLS-Netz. Vor 150 Jahren ging der erste Abschnitt von Burgdorf nach Solothurn in Betrieb – ganze 38 Jahre vor dem Lötschberg! Grund genug für «BLS Inside», einen Blick in die bewegte Geschichte der schillernden Bahnpionierin aus dem Emmental zu werfen.
Von Olivier Bayard
am 17.03.2025

Die Ursprünge: Eisen, Papier, Holz und Pferde 

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts sprossen in der Schweiz die Bahnstrecken wie Pilze aus dem Boden. 1857 erreichte der Bahnboom gleich an zwei Stellen die Ufer der Emme: In diesem Jahr eröffnete die damalige Schweizerische Centralbahn die Linien Olten-Bern und Herzogenbuchsee-Solothurn. Das weckte in der Region bald weitere Begehrlichkeiten. 

In Solothurn forderten die mächtigen Industriewerke von Biberist und Gerlafingen einen Anschluss ihrer Betriebe an die neue Bahnlinie. Der Kanton unterstützte dies, und so rollten 1864 die ersten Wagen über die Gleise einer neuen Industriebahn von Derendingen nach Biberist – als erste Vorläufer der späteren Emmentalbahn. 

Der Betrieb erfolgte in den ersten Jahren noch mit Pferden. Erst 1872 wurde die Pferdebahn durch Dampflokomotiven ersetzt. Die Industriebahn bediente zunächst die Baumwollspinnerei in Derendingen, kurz darauf erfolgte der Anschluss an die Papierfabrik Biberist und einige Jahre später an die Eisenwerke von Roll in Gerlafingen. Die politischen Verantwortlichen in der Region dachten jedoch bereits weiter. 
Papierfabrik Biberist
Papierfabrik Biberist – 1870 (Quelle: Weber, Hardmeier. 2000.)

Die Gründung der Emmentalbahn 

Auf der Emme blühte damals noch die Flösserei, doch es mehrten sich die Stimmen, die entlang des Flusses eine neue Eisenbahnlinie forderten. Dies insbesondere wegen der Eisenwerke in Gerlafingen, die auf Holz aus dem Emmental angewiesen waren. So konstituierte sich 1872 die Emmentalbahn (EB) mit dem Ziel, eine neue Bahnlinie zu bauen. Der Bau erfolgte zunächst zwischen Burgdorf und Solothurn. Am 26. Mai 1875 ging die gut 15 Kilometer lange Strecke als «erste Nebenbahn der Schweiz» in Betrieb. 

Die neue Bahn startete erfolgreich: Bereits im zweiten Betriebsjahr beförderte sie in ihren sechs Personenwagen über 200’000 Passagiere. Das Hauptgeschäft bildete jedoch der Güterverkehr: Mit zwei Dampflokomotiven  und insgesamt 34 Güterwagen transportierte die EB Metall, Brennstoffe, Papier und landwirtschaftliche Güter. Sie trug damit wesentlich zur Entwicklung der wirtschaftlich wohlhabenden Region entlang der Emme bei.
Einladung Eröffnungsfeier
Persönliche Karte für die Eröffnung der Emmentalbahn (Quelle: Weber, Hardmeier. 2000.)

Ausbau und Elektrifizierung des Streckennetzes im Emmental

1875 ergab sich für das Emmental eine neue Perspektive, als die durchgehende Bahnverbindung Bern-Langnau-Luzern eröffnet wurde. Die EB wollte sich mit einem Anschluss an diese neue Ost-Westverbindung als Zubringerin zur Gotthardbahn positionieren. Diese befand sich zu der Zeit bereits im Bau und sollte 1882 eröffnet werden. 

Die Erweiterung war für die kleine Emmentalbahn eine grosse Herausforderung. Neben dem Streckenbau benötigte sie dafür auch zusätzliche Wagen und Lokomotiven. Nach anfänglichen Schwierigkeiten gelang es ihr mit Unterstützung der örtlichen Gemeinden schliesslich, das nötige Kapital aufzutreiben und sich mit Sitz in Burgdorf neu zu konstituieren. Zwei Jahre später ging die 18 Kilometer lange Verbindungsstrecke von Burgdorf nach Obermatt (-Langnau) in Betrieb – gerade noch rechtzeitig vor der Gottharderöffnung. Damit hatte die EB ihr Streckennetz und ihr Rollmaterial mehr als verdoppelt und nahm nun zwischen Jura und Entlebuch eine wichtige Scharnierfunktion ein.
Gemischter Zug EBT
Gemischter Zug der EB um 1918 im Bahnhof Burgdorf. (Foto: F. Neuenschwander)

Erste elektrische Vollbahn Europas

In der Folge machten sich die Verantwortlichen der aufstrebenden Bahn für den direkten Anschluss Thuns via Konolfingen und Hasle stark. Wegen der grossen Steigungen musste der neue Abschnitt zwischen Thun und Hasle mit Drehstrom betrieben werden. Damit die Züge bis Burgdorf durchfahren konnten, rüstete die EB im gleichen Zug auch den Abschnitt Hasle-Burgdorf mit einer elektrischen Fahrleitung aus. Die Burgdorf-Thun-Bahn (BTB) war bei ihrer Inbetriebnahme im Jahre 1899 die erste elektrische Vollbahn Europas.

Damit war die technische Ablösung der Dampfbahnen eingeleitet. Wegen Kohlemangels hatten diese während des Ersten Weltkriegs überall mit starken Verkehrseinschränkungen kämpfen. Die EB führte deshalb auf dem Streckenabschnitt von Hasle-Rüegsau nach Langnau im Jahr 1918 eine sogenannte Notelektrifikation durch. 1932 schloss sie die Elektrifizierung ihres Netzes mit dem ältesten Teilstück zwischen Burgdorf und Solothurn  ab.

Streckennetz der EBT

Bahnnetz EBT

Ambitionierte Treiberin Bahnerschliessung

Die Emmentalbahn hegte von Beginn an Ambitionen über ihre Stammstrecken hinaus und mischte aktiv in der Schweizer Eisenbahnpolitik mit. Gemäss Statuten betrachtete sie es als ihre Aufgabe, «finanzielle Beteiligungen und Übernahmen von Bahnunternehmungen zu tätigen, durch welche die Interessen der Gesellschaft gefördert werden». 

In diesem Geist beteiligte sie sich an der Solothurn-Moutier-Bahn (SMB) mit dem Weissensteintunnel, für deren Betrieb sie seit der Eröffnung 1908 verantwortlich zeichnete. Weitere Beteiligungen folgten unter anderem an der ebenfalls 1908 eröffneten Ramsei-Sumiswald-Huttwil Bahn (RSHB) und an der 1916 eingeweihten neuen direkten Schmalspurbahn Bern-Solothurn  - dem heutigen Regionalverkehr Bern-Solothurn RBS. 

Besonderes Interesse hatte die EB jedoch am Projekt der «Berner Alpenbahngesellschaft Lötschberg-Simplon». Wie am Gotthard erhoffte sie sich von einer neuen Lötschbergbahn eine Befruchtung des eigenen Verkehrs und unterstützte deren Pläne. So kam es, dass sich die Emmentalbahn im Jahre 1906 mit 150'000 Franken am Gründungskapital der BLS beteiligte.

Die Bahnlandschaft konsolidiert sich 

In der Bahneuphorie der Gründerzeit bildeten die interessierten Geldgeber in der Regel für jede neu zu erstellende Linie eine eigenständige Bahngesellschaft. Um die Betriebskosten tief zu halten schlossen sich diese meist bald bestehenden Bahnen an. Diese Betriebsgemeinschaften konsolidierten sich in den krisengeschüttelten Kriegsjahren weiter. So entstanden 1942 die Emmental-Burgdorf-Thun-Bahn (EBT) und 1944 die Vereinigten Huttwill Bahnen (VHB), welche zusammen mit der SMB als Betriebsgruppe auftraten. 

Die Gruppe, die von der EBT angeführt wurde und mit weiteren angrenzenden Bahnen betrieblich verflochten war, fusionierte 1997 schliesslich zum Regionalverkehr Mittelland (RM). 

Als dieser 2006 mit der BLS AG zusammengelegt wurde, schloss sich für die EB ein Kreis: Fast auf den Tag genau 100 Jahre nach der Gründung der Berner Alpenbahngesellschaft wurde aus deren ehemaliger Miteigentümerin ein integraler Bestandteil der neuen BLS AG. 
Entstehung der BLS_corr_Zeichenflche 1
Der Stammbaum der BLS AG

Ein «heimkehrender Spin-off» im Güterverkehr 

Im Unterschied zu anderen Bahnen war für die EB der Güterverkehr seit der Gründung das Hauptgeschäft. Nachdem der regionale Güterverkehr im Zuge der Liberalisierung nach der Jahrtausendwende von der SBB übernommen wurde, verlegte sich der RM auf den kombinierten Verkehr. Zusammen mit Partnern baute er das Unternehmen Crossrail auf, das er 2005 erfolgreich ins Ausland verkaufte.  

Auch hier schloss sich ein Kreis, als die Firma Crossrail Benelux – gewissermassen ein «Cargo-Nachfahre» der EB – im Jahre 2019 von der BLS Cargo AG übernommen wurde und damit ins Mutterhaus der BLS zurückkehrte.
EBT Header
EBT-Komposition in Häusernmoos (Fotograf unbekannt, zvg)

Jubiläumsfest 150 Jahre Emmentalbahn

Feiere mit und gratuliere der «alten Dame» zu ihrem Geburtstag!

Am 17./18. Mai steigt das grosse Jubiläumsfest 150 Jahre Emmentalbahn. An den Standorten Burgdorf, Oberburg, Huttwil, Sumiswald-Grünen, Langnau und Konolfingen erwarten dich spannende Attraktionen für die ganze Familie. Reserviere dir bereits heute den Termin und erlebe ein aussergewöhnliches Wochenende zwischen Bahngeschichte, Technik und öV-Zukunft! Details findest du auf unserer Website.

Erzähle uns in den Kommentaren von deinem schönsten Erlebnis mit der Emmentalbahn und ihren Nachfolgebahnen (s. Button am Anfang).  

Geschichten zur BLS

Immer zuerst hinter die Kulissen der BLS blicken
Jetzt abonnieren
Newsletter
PDF herunterladen
0 aus 0 Mediendateien