Der Lötschberg und Italien – eine bewegte Geschichte

Die Verbindung des Lötschberg mit dem südlichen Nachbarn blickt auf eine bewegte Geschichte, die bis in die Gründerzeit der BLS zurückreicht. Ein Streifzug.
Von Olivier Bayard
am 06.09.2024
  • 1911 Foto Mineure

    Gründerzeit: Der Lötschberg wird von den Italienern erbaut

    1906 wird der Simplontunnel eröffnet. Im gleichen Jahr wird die «Berner Alpenbahngesellschaft Bern–Lötschberg–Simplon BLS» gegründet und mit dem Bau der Lötschbergstrecke begonnen. Ziel ist es, Bern und Nordwesteuropa direkt an die neue Südverbindung anzuschliessen. Die harte und risikoreiche Arbeit wird hauptsächlich von italienischen Arbeitern ausgeführt, die in Arbeiterdörfern in Kandersteg und Goppenstein untergebracht sind. Allein in Kandersteg leben zwischen 1906 und 1913 bis zu 2500 Italienerinnen und Italiener.
  • 1913_Foto_Reisewagen_innen

    Die frühen Jahre: Enttäuschte Hoffnungen im internationalen Reiseverkehr

    Am 15. Juli 1913 geht die Lötschbergstrecke zwischen Spiez und Brig in Betrieb. Damit erhält Bern eine direkte Schienenverbindung nach Italien. Die BLS setzt von Beginn an auf eine gehobene internationale Kundschaft. Ihre neuen Reisezugswagen gehören zu den elegantesten auf dem europäischen Schienennetz. Zeitzeugen berichten, wie «die Engländer die neuen BLS-Wagen in Calais im Laufschritt stürmen» und im Endbahnhof Venedig ganze Polsterbänke und Spiegel herausgerissen und gestohlen wurden. Die Werbeplakate aus jener Zeit widerspiegeln die Hoffnung auf einen Aufschwung im internationalen Bahnreiseverkehr. Stattdessen führen Kriegswirren und Wirtschaftskrisen zu einem weitgehenden Zusammenbruch des grenzüberschreitenden Tourismus. Die Bemühungen, dieser Entwicklung in der Zwischenkriegszeit mit neuen Verbindungen entgegenzuwirken – etwa über Turin und die italienische Riviera bis nach Nizza – bleiben ohne Erfolg.
  • Foto_BLS_Excursion_Stresa_undatiert

    Nachkriegszeit: Aufschwung im Italienverkehr

    Am 15. Mai 1946 wird der grenzüberschreitende Reiseverkehr nach Italien wieder aufgenommen. In den Folgejahren erleben touristische Bahnreisen in den Süden eine Blütezeit. Begleitete «Excursionsfahrten» der BLS über die Lötschberg-Simplon-Achse nach Domodossola, Stresa und Locarno erfreuen sich grosser Beliebtheit. Die Angebote kombinieren die Bahnfahrt mit dem «Blauen Pfeil» mit geführten Touren zu den schönsten Sehenswürdigkeiten auf der Alpensüdseite. In den Sommermonaten fahren viele Schweizer Familien mit Charterzügen sogar direkt bis an die italienischen Strände. In der Gegenrichtung bringen Extrazüge die italienischen Saisonarbeiter und ihre Angehörigen in den Norden. Immer neue italienische Städte zieren die Abfahrtstafeln auf den Zügen, welche über die Lötschberglinie in den Süden rauschen
  • Werbung als Spiegel eines sich  wandelnden Gesellschaftsbildes

    Boomjahre: Das Automobil kommt auf die Bahn

    Das beispiellose Wachstum des motorisierten Strassenverkehrs beschert auch dem Autoverlad einen rasanten Aufschwung. 1960 führt die BLS am Lötschberg den fahrplanmässigen Verlad ein. Die Autozüge fahren von Kandersteg bis Goppenstein, Brig und Iselle. Im ersten Jahr nutzen bereits 13’718 Fahrzeuge das neue Angebot, zwanzig Jahre später sind es über 750'000. Knapp ein Fünftel davon verkehrt direkt bis nach Italien. In den Achtzigerjahren führt der Ausbau der Simplonstrasse dazu, dass immer weniger Automobilistinnen und Automobilisten für den Weg nach Italien die Bahn nutzen. 1993 wird der Autoverlad auf diesem Abschnitt schliesslich eingestellt. Im neuen Jahrtausend erlebt der Autoverlad eine Renaissance: Im Sommer 2000 führt die BLS saisonal wieder Autozüge von Kandersteg direkt bis nach Italien. Wenige Jahre darauf wird auch der Autoverlad in Brig wieder aufgenommen und seither schrittweise ausgebaut.
  • MIKA_SOMMER_ISELLE_DOMO_06

    Die BLS kehrt an den Simplon zurück

    2017 übernimmt die BLS von der SBB den Regionalverkehr Brig–Domodossola. Der «Lötschberger» stellt den direkten Anschluss der ursprünglichen Lötschbergstrecke nach Italien wieder her. Dieser war im Zuge der 2007 eröffneten schnelleren Verbindung durch den Lötschberg-Basistunnel unterbrochen worden. Während Ausflugsgäste aus dem Mittelland die Verbindung wie in früheren Zeiten als «Tor zum Süden» nutzen, stellt sie zwischen Domodossola und Brig den Pendlerverkehr der «Frontalieri» sicher – der Grenzgänger aus dem Ossolatal. Unter dem Namen «Trenino verde delle Alpi» nutzt die BLS den Zug zudem mit Erfolg als Zubringer piemontesischer Ausflugsgäste in die Walliser und Berner Tourismusdestinationen. Seit Dezember 2023 fährt die BLS mit ihren neuen MIKA-Zügen nach Domodossola. Damit sind die Weichen gestellt, diese Erfolgsgeschichte weiterzuschreiben.

Die Werbeplakate im Laufe der Zeit

Künstlerisch gestaltete Werbeplakate gehörten schon immer zum Markenzeichen der BLS. Manchmal lockt der Mailänder Dom oder Familie Schweizer wagt den Sprung gegen Süden. Aber auch die internationale Bedeutung des Lötschbergtunnels manifestiert sich in Plakaten die sich an die italienische oder andere europäische Bevölkerungen richtet.

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