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Im Traumdepot

Drückende Schwüle an einem Sonntagnachmittag, die Strassen nahezu menschenleer. Matt wie ein träges Tier ergibt die Stadt sich der Sommerhitze, kaum jemand ist unterwegs.

Nur der Alte vor dem geschlossenen Tramdepot: Steht da und rührt sich nicht. Unförmige Jeans trägt er, Hosenträger mit Edelweiss- Motiv über einem gestreiften Shirt. Neben sich einen Rollator, steht er vornübergelehnt, wobei seine Stirn das heruntergelassene Gitter des Depots berührt, regungslos, und man muss zweimal hinschauen, ob er vielleicht Hilfe braucht, ob ihm übel ist, schwindlig vielleicht? Oder ob er nur einfach dasteht und … Ja, er steht bloss kopfvoran ans Gitter gelehnt da, merkt man dann. Er steht da und schaut hinein: ins Tramdepot. Ein ehemaliger Chauffeur vielleicht, ein Lokführer, Strassenbahnfahrer? Er scheint alles aufs Genaueste zu mustern. Ist er verbittert? Oder schaut er auf ein reiches Berufsleben zurück, ist immer noch interessiert an den neuen Waggons, der neuesten Technik? Findet er, früher sei alles besser gewesen, und so ein Tram zu pilotieren, das sei ja gar nichts mehr heute, das könne ja jeder … Aber früher, früher! Potz Millionen, da musste man noch etwas können! Oder bewundert er sie gar, die Menschen, die derselben Arbeit nachgehen, der er einst nachging?

Er steht da, der alte Mann mit den Edelweisshosenträgern, steht die längste Zeit einfach nur da, äugt ins Depot. Und gibt ein Bild der Einsamkeit ab.

Was treibt ihn an einem Sonntag in die Hitze hinaus, hierhin, an den Rand des Industrieviertels, zum Tramdepot? Wohin schweifen seine Gedanken, welches sind seine unerfüllten Sehnsüchte? Vielleicht wäre er gern Kapitän auf einem Ozeandampfer geworden und über die Weltmeere gefahren. Vielleicht hätte er sich ein Dutzend Enkel gewünscht. Vielleicht vermisst er alte Gefährten, mit denen man nachmittags in der Gartenwirtschaft im Platanenschatten sitzen und von früher reden könnte.

Sein Alleinsein schmerzt beim blossen Anblick. Ein Bild der Verlorenheit. Ein Ausrangierter, aus der Zeit Gefallener. Aber vielleicht ist er ja ein erfüllter Mensch, zufrieden mit sich und der Welt, vielleicht dreht er nur seine gewohnte Sonntagsrunde und schaut nach, ob bei seinen Klapperkisten, beim 14-er, dem 3-er und dem 7-er, auch alles in Ordnung sei. Nach langer, langer Zeit erst nimmt er seinen Rollator und trottet davon in seinem gestreiften Shirt, mit Schweissperlen auf der Stirn. Gern stelle ich ihn mir als glücklichen Menschen vor.

Aber ich hätte ihn ja fragen können.

 

Bänz Friedli
Der Autor und Kabarettist Bänz Friedli (52) tourt derzeit mit seinem Programm «Ke Witz! Bänz Friedli gewinnt Zeit».

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