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Affoltern i.E. – Wo der König des Emmentals wohnt

Das Emmental eine Monarchie? Keine Angst: «Le roi de l’Emmental» ist ein Käse. Kaufen kann man ihn nur in der Emmentaler Schaukäserei. Hier sieht man auch gleich, wie er hergestellt und gepflegt wird. Ein Frühlingsspaziergang von Affoltern i. E. auf die Lueg hält aber noch weitere Leckerbissen für Gaumen und Auge bereit.

Apartig, Bätzi, Fynöggeli, Müntschi, Zimis: In der Speisekarte der Emmentaler Schaukäserei in Affoltern findet sich hinten eine ganze Seite voller alter Emmentaler Ausdrücke. Bei der Lektüre von «Gotthelfs Sprachbrevier» und einem «Chacheli Ggaffee» oder einer Meringue mit «Nidle» fühlt man sich so im Emmental sofort zuhause.

Kaum aus dem Bus gestiegen, erkennen wir auf den ersten Blick, was Affoltern prägt: Eine ganze Fassade zeigt einen Käse mit Löchern, darauf prangt der rote Emmentaler-Schriftzug. Das Gebäude beherbergt den ehemaligen Landgasthof Löwen. Diesem wurde 2017 neues Leben eingehaucht: Da es am Montag- und Dienstagabend in der Umgebung kein offenes Restaurant mehr gab, hat die Bevölkerung selbst die Initiative ergriffen und den Löwen wieder eröffnet. Frauen vom Landfrauenverein haben sich bereit erklärt, zwei Abende pro Woche zu wirten, unterstützt werden sie von der Trachtengruppe, dem Ballon- und Skiclub und den Feldschützen. Die Gemeinde Affoltern zählt bei rund 1200 Einwohnern ganze 35 Vereine. Im Ortswappen prangen sechs knallrote Äpfel in einer grünen Baumkrone. Der Grund dafür liegt im Namen: Affoltern ist vom althochdeutschen «affoltera» abgeleitet, was so viel bedeutet wie «bei den Apfelbäumen». Wir erkunden das Dorf noch etwas eingehender und wagen einen Blick in die Kirche: Das Interieur ist schlicht, Bänke und Decke aus Holz, an der linken Wand steht eine Orgel. Wir lesen nach, dass die Kirche 1275 das erste Mal urkundlich erwähnt wird und der Turm sowie ein Teil des Chores auf einem grossen Granitfindling stehen, den der Rhonegletscher aus dem Mont-Blanc-Massiv nach Affoltern transportiert hat.

Stöcklikäse und «Le roi de l’Emmental»

Nun sind wir bereit für einen Abstecher in die Welt des Käses. Die Emmentaler Schaukäserei besteht aus drei Gebäuden: dem Empfangshaus, dem grossen Bauernhaus und dem Stöckli. Wir haben Glück und können gleich dem grössten Spektakel beiwohnen – dem Käsen über dem Holzfeuer im Stöckli. Das schmucke Nebenhaus wurde 1741 erbaut, eine Holztreppe führt auf die Laube, eine Steintreppe in den Käsekeller, eine niedrige Tür in das Küherstübli. Aus der Sonne treten wir in den düsteren Raum, hinten ein riesiger Kamin für den Rauch, das Feuer knistert, die Wände sind schwarz vom Russ. Käserin Karin Woodtli produziert zusammen mit einer Besucher-Gruppe gerade einen Stöcklikäse. Aus 200 Litern Milch entstehen zwei Laibe à rund acht Kilogramm. Alle packen mit an, rühren mit der Holzschaufel im Kessi, probieren das Käsekorn, messen immer wieder die Temperatur. Woodtli erklärt, dass diese für die Konsistenz des Käses sehr wichtig ist: «Weichkäse erhitzt man auf rund 37 Grad, Hartkäse wie etwa Emmentaler auf 53 – viel höher darf man nicht gehen, sonst tötet man die Bakterien.» Die Besucher lauschen gespannt, dürfen aber während 35 Minuten nicht aufhören zu rühren. «Jetzt wisst ihr, wieso man dafür heute ein mechanisches Rührwerk hat», witzelt die Käserin.

Wir wechseln in die moderne Käserei: Es duftet leicht säuerlich nach Käse, die Verkäuferinnen hinter der Theke grüssen freundlich, durch grosse Glasscheiben sieht man direkt hinunter in den einen Stock tiefer gelegenen Produktionsraum. Der Chromstahl glänzt, die Maschinen surren, das Rührwerk dreht. Soeben hievt eine Angestellte in weisser Schürze, mit passenden Stiefeln und einer Schutzhaube auf dem Kopf die Käseharfe aus dem Kessi. Sie spritzt den Metallarm mit einem Schlauch ab, desinfiziert ihn, legt ihn zur Seite. Mit zwei Reagenzgläsern entnimmt sie eine Probe. Hier entsteht er also, der echte Emmentaler. Nun fehlt uns nur noch eine Kostprobe des Käses: Also nehmen wir an der kleinen Degustation mit dem Motto «Learning by eating» teil. Jeden Nachmittag kann man die verschiedenen Produkte vom Stöcklikäse über den Emmentaler Eidgenoss und Surchoix bis zum «Roi de l’Emmental» probieren. Letzterer ist König, weil er für mindestens 30 Monate gelagert und gepflegt wurde. In seinen typischen Emmentaler-Löchern sammeln sich weisse Salzkristalle, auf der Zunge entfaltet er einen erstaunlich rezenten und gleichzeitig zurückhaltenden Geschmack. Nun sind unsere Geschmacksnerven angeregt, und wir sind bereit für ein «Anetzerli», wie Gotthelf den heutigen Aperitif liebevoll genannt hat.

Durch die Hügel zum Denkmal

Wir treten aus der Schaukäserei und machen uns mit frischer Luft in den Lungen auf Richtung Lueg. Mal kreuzt uns ein Traktor, mal ziehen uns Bussarde auf Zaunpfählen in ihren Bann, mal lockt uns ein Hofladen mit Spezialitäten: In rund einer Stunde erreichen wir das Denkmal, den eigentlichen Gipfel der Lueg. Es markiert die Stelle, wo früher die Hohwacht stand, auf der im Kriegsfall ein Alarmfeuer gezündet werden konnte: Die Lueg ist mit 890 Metern über Meer der höchste Punkt der Gemeinde Affoltern und von weitherum sichtbar. Entsprechend gut ist auch die Aussicht: Das ganze Alpenpanorama erstreckt sich vor uns, in unterschiedlichen Pastelltönen die Hügelketten davor, malerisch verteilt die Dörfer und Weiler.

In einer weiteren Viertelstunde sind wir beim Gasthof Lueg mit beeindruckend grosser Sonnenterrasse. Heute ist es aber noch etwas kühl: Wir setzen uns in die gemütliche Stube und bestellen Bratwurst mit Rösti, als Vorspeise einen Salat mit Ei. Küchenchef Thierry Boillat kommt an den Tisch und schwärmt: «Die meisten meiner Lieferanten wohnen an der gleichen Strasse von hier nach Rüegsau hinunter!» Von unserem Menü stammen Eier, Butter, Salat, Kartoffeln, Gemüse und Bratwurst aus der Umgebung. Wie wir bereits wissen, darf auch Käse hier im Emmental natürlich nicht fehlen: «Wir beziehen unseren bei Fankhausers in der Käserei Vorderrinderbach, zehn Minuten von hier», sagt Boillat, der früher bei Spitzenköchin Tanja Grandits in Basel tätig war. Die Bratwurst ist küstig, die Rösti schön knusprig und die mit Holz ausgekleidete Stube, die weissen Vorhänge und die Herzen in der Stuhllehne sorgen für eine heimelige Atmosphäre. Eine Tafel preist die weitherum bekannte Crèmeschnitte an, doch unsere Mägen sind bereits gut gefüllt. Die Bushaltestelle befindet sich direkt vor dem Gasthof, und auf der Rückfahrt (nach telefonischer Voranmeldung, Tel. +41 79 335 66 28) nach Burgdorf können wir den Blick kaum von den Fenstern abwenden, hinter denen sich die grünen Hügel schier ins Unendliche erstrecken.

Video

Filmbeitrag mit weiteren Tipps zu Affoltern i.E.

Haltestelle Affoltern i.E., Dorf

Aussteigen möglich seit: 3. Oktober 1937. Täglich 14 Gelegenheiten mit dem Bus je Richtung
Kanton: Bern
Höhe über Meer: 803 m
Nächste Anschlüsse: Bahnhof Hasle-Rüegsau oder Bahnhof Sumiswald-Grünen via Affoltern-Weier
Nachtnetz: nein
Aussteigen mit dem Rollstuhl: ja
Persönliche Beratung: ja, in den BLS Reisezentren in Hasle-Rüegsau und Sumiswald-Grünen
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