Die Brücken der BLS
In der Schweiz überqueren die Züge mehr als 8000 Eisenbahnbrücken. Die BLS besitzt auf ihrem 420 Kilometer langen Streckennetz über 500 Brücken. Manche überspannen furchterregende Schluchten, andere führen unscheinbar über Bäche oder Trampelpfade für Schafe. Und nicht über alle Brücken der BLS fahren Züge.
Jede Brücke auf der Welt ist einzigartig. «Zwei Brücken sind niemals genau gleich», sagt Daniel Trachsel. Der Ingenieur arbeitet seit 15 Jahren bei der BLS und ist auf Brücken spezialisiert. Der Brückenbau treibt Ingenieure weltweit zur Konstruktion von Meisterwerken – und zu immer neuen Rekorden. Im Jahr 2011 weihte die chinesische Regierung die derzeit längste Brücke der Welt ein. Die «Grosse Brücke Danyang-Kunshan» ist Teil der Eisenbahnstrecke von Peking nach Shanghai und misst fast 165 Kilometer.
In der Schweiz ist bekanntlich alles etwas kleiner als in China. Wer in Bern in den Zug steigt und nord- oder südwärts fährt, hat nach 165 Kilometern längst Deutschland, Frankreich oder Italien erreicht. Beeindruckende Eisenbahnbrücken gibt es aber auch hierzulande, vor allem in den Bergregionen. Es erstaunt deshalb nicht, dass die Serie zu den Rekordhalterinnen unter den BLS-Brücken im Kanton Wallis beginnt.
Die Kleinen sind in der Mehrzahl
Aber nicht jede BLS-Brücke ist ein imposanter Viadukt. Ganz im Gegenteil – viele Brücken fristen ein eher unbemerktes Dasein. «Alles, was mindestens zwei Meter Spannweite hat, gilt als Brücke», erklärt Daniel Trachsel. Die meisten Brücken der BLS überspannen nicht Schluchten und Flüsse, sondern Radwege und Bachläufe. Mehr als die Hälfte aller BLS-Brücken ist kürzer als zehn Meter.
Brücken für Schafe und Wildtiere
Nicht über alle BLS-Brücken fahren Züge. Die Nutzung der Brücken ist vielfältig. Beim Autoverlad in Kandersteg überqueren die Fahrzeuge auf der Anfahrt zu den Autoverladezügen über eine Brücke einen Parkplatz. Andere Brücken bieten Schafen, Wildtieren und Wanderinnen eine sichere Passage über oder unter den Bahngleisen hindurch.
Das historische Erbe bewahren
Wer sich mit Brücken beschäftigt, kommt irgendwann bei den Römern vorbei. Denn im antiken Römischen Reich konstruierten Ingenieure vor über 2000 Jahren die ersten Bogenbrücken aus Naturstein. Viele Eisenbahnbrücken, die ab der Mitte des 19. Jahrhunderts in der Schweiz gebaut wurden, sehen römischen Natursteinviadukten verdächtig ähnlich. Die BLS besitzt vor allem auf der über 100-jährigen Lötschbergstrecke zahlreiche Bogenbrücken aus Naturstein. Überhaupt ist die Lötschbergstrecke ein Eldorado für Liebhaberinnen und Liebhaber der Eisenbahn: Rund 300 Brücken prägen die 74 Kilometer von Spiez über Kandersteg und Goppenstein nach Brig und zeugen von der Kühnheit der Eisenbahnbauer im frühen 20. Jahrhundert.
Bögen gelten bis heute als stabilste Bauform. Allerdings würden Bogenbrücken heute aus Beton gebaut, erklärt Daniel Trachsel: «Die Bauweise aus Naturstein ist extrem arbeitsintensiv und wäre heute viel zu teuer. Als man die ersten Eisenbahnbrücken gebaut hat, war das Material teuer, die Arbeitskraft aber günstig. Heute ist es umgekehrt.» Aber trotz modernen Bauweisen – die altehrwürdigen Natursteinviadukte müsse man unbedingt erhalten, betont der Ingenieur: «Weil sie robust sind. Und weil wir Sorge tragen zu unserem historischen Erbe. Wenn man Natursteinbrücken gut pflegt, halten sie fast ewig.»
Der Wert der BLS-Brücken
Die rund 500 Brücken der BLS haben einen Wiederbeschaffungswert von 763 Millionen Franken. Das bedeutet: Müsste die BLS all ihre Brücken ersetzen, würde sie dies 763 Millionen Franken kosten. Der Wiederbeschaffungswert einer Brücke wird nach der Grösse ihrer Fläche berechnet.
Vom Bachdurchlass für 48'000 Franken bis zu den 72,5 Mio. Franken teuren Rhonebrücken beim Lötschberg-Basistunnel: Die ausgewählten Beispiele zeigen, für welch unterschiedliche Brücken die BLS Verantwortung trägt.
Von Matthias Abplanalp