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Verloren am Treffpunkt

Wer stellt sich an einem Bahnhof schon mitten unter den Treffpunkt – der überdeutlich als solcher gekennzeichnet ist mit den weissen Pfeilen auf blauem Grund? Nein. Die junge Frau in der ultrakurzen Jeansjacke steht etwas abseits. Will offenbar nicht als diejenige dastehen, die wartet wie bestellt und nicht abgeholt. Umso mehr sieht man sie ihr freilich an: die bange Warterei, die Verlegenheit, die Ungeduld. Ein erstes Date, vielleicht? Sie kontrolliert noch rasch ihr Make-up, die Selfie-Funktion des Handys dient ihr als Taschenspiegel.

Rentner, Wanderer, Businessleute, alle treffen sich hier. Eine raucht nervös, ein anderer schaut dauernd auf die Uhr, die eigene, denn das übergrosse Zifferblatt des Treffpunkts sieht er nicht. Er steht unmittelbar darunter. Umarmungen, Händedrücke. Die meisten hier wirken unsicher, es müssen Auswärtige sein; Ortskundige hätten woanders abgemacht, an einem unauffälligeren Ort. Eine ältere Frau äugt beunruhigt um sich.

Ich sitze nebenan in einem Café und vertreibe mir die Zeit mit dem Tippspiel, wer wohl zu wem gehöre. Der dicke Nerd mit Hornbrille und Kapuzenpulli, Typus: nächtelang am Computer sitzen und Chips mampfen. Mit wem ist er verabredet? Doch nicht mit der winzigen Japanerin? Darauf hätte ich nicht gesetzt. Aber da, die Mutter! Trifft die eigene Tochter, man merkt es ihrer Vertrautheit an. Schon länger wartet eine Kraushaarige. Glühend vor Verliebtheit und Vorfreude steht sie da, und als er dann endlich kommt, vergessen sie alles rundherum, küssen und umarmen sich filmreif, eine gefühlte Ewigkeit lang, und man ist ein bisschen gerührt. Fremdgerührt.

Nur die Frau mit der knappen Jeansjacke, halb Mädchen noch, steht nach wie vor abseits, bei den Kehrichteimern, und kontrolliert schon wieder ihr Make-up. Zunehmend verzweifelt wirkt sie, stehengelassen. Wie lange mag sie schon warten?

Er steht ebenfalls abseits – auf der anderen Seite. Sie kann ihn nicht sehen. Ein Skateboard unterm Arm, das lange Haar überm Kopf zum Knoten gebunden, tritt er von einem Bein aufs andere. Zückt unversehens ein Fläschchen und nimmt noch einen Schluck Mundwasser. Aber wohin will er nun damit? Ausspucken wäre peinlich. Dass sie aufeinander warten, ist offensichtlich. Bloss sie selber haben sich noch nicht entdeckt. Doch jetzt, jetzt! Hat sie ihn erspäht, kommt hastig auf ihn zu. Und er, sichtlich noch immer mit der Spülung im Mund, steht ihr plötzlich gegenüber.

Er hat das Mundwasser, glaub ich, heruntergeschluckt. Und sie dann ungelenk und flüchtig auf die Wange geküsst.

Bänz Friedli
Der Autor und Kabarettist Bänz Friedli (52) tourt derzeit mit seinem Programm «Ke Witz! Bänz Friedli gewinnt Zeit».

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