Sie hüten die Vergangenheit der BLS
Sie bewahren über 100 Jahre BLS-Geschichte: Peter Rytz, Esther Hofer und Beat Probst engagieren sich für die BLS-Stiftung, die unter dem Namen BLS Historic auftritt. Wir haben sie auf einer Fahrt mit dem legendären «Blauen Pfeil» sowie im Depot Burgdorf aufgespürt – und dabei einige Kuriositäten entdeckt.
Peter Rytz zieht im Führerstand die Sonnenblende herunter. Er ist Teamleiter Lokpersonal bei der BLS und heute als Lokführer für BLS Historic im Einsatz. Im Führerstand des 1938 erbauten Zugs heizt die Augustsonne bereits am Vormittag ein. Neben der fehlenden Klimaanlage gibt es im «Blauen Pfeil», wie der historische Zug liebevoll genannt wird, noch weitere Besonderheiten. Am offensichtlichsten: Der Führerstand ist offen zugänglich und gibt für die Fahrgäste den Blick auf die Strecke frei. Kein Wunder ist die seltene Gelegenheit, im Zug ganz vorne mitzufahren, die Attraktion für die Fahrgäste.
Ein Zug für Geissböcke und Gefangene
Nach einem Zwischenstopp in Burgdorf, braust der «Blaue Pfeil» in Richtung Langnau. Im Gepäckabteil nimmt Esther Hofer die Weinflaschen aus dem Kühlschrank. Sie ist neben der Sicherheit der Fahrgäste auch für deren leibliches Wohl zuständig. Esther war 20 Jahre als Zugbegleiterin bei der BLS tätig. Jetzt ist sie pensioniert – bei BLS Historic aber weiterhin im Einsatz.
Wo heute Wein und Bier lagern, wurden früher Gepäckstücke, Post, Geissböcke und manchmal auch Gefangene transportiert. Dazu wurde eigens eine Gefängniszelle eingebaut. Sie hat knapp die Grösse einer Telefonkabine. Nachdem die massive Metalltür von aussen mit einem Bolzen verschlossen wird, gibt es kein Entkommen mehr. Die engen und spartanischen Verhältnisse sind beklemmend. Immerhin sieht man durch das vergitterte Fenster Maisfelder und Apfelbäume vorbeiziehen. Bis in die 1980er-Jahre wurde die Zelle von der Polizei genutzt, um Häftlinge unter anderem von Bern nach Witzwil in die Strafanstalt zu überführen.
Vor der Verschrottung gerettet
Wenn der «Blaue Pfeil» heutzutage unterwegs ist, sind es freudigere Ereignisse. Dass man ihn für Hochzeiten, Geburtstage oder Firmenausflüge mieten kann, ist ursprünglich dem Tramverein Bern zu verdanken. Er rettete den «Blauen Pfeil» 1999 vor der Verschrottung. 2011 übernahm ihn BLS Historic und restaurierte ihn bis 2014 aufwändig. Seither steht der Zug unter anderem für Charterfahrten zur Verfügung und hat 2015 als erstes mobiles Kulturgut den Schweizer Denkmalpreis erhalten.
Sie lassen die BLS-Geschichte weiterleben
Hinter BLS Historic steht eine Stiftung, die sich dem Erhalt des historischen Erbes der BLS verschrieben hat. Finanziert wird sie hauptsächlich von der BLS, die aus denkmalpflegerischen Gründen dazu verpflichtet ist, bestimmte Fahrzeuge für die Nachwelt zu erhalten. Auch Extra- und Charterfahrten tragen zur Finanzierung bei. Rund 30 Mitarbeitende engagieren sich imTeilzeitpensum für BLS Historic und sorgen dafür, dass die Geschichte der BLS weiterlebt.
Neben historischen Zügen bewahrt BLS Historic auch andere Gegenstände aus über 100 Jahren BLS-Geschichte. So lagern in Burgdorf zum Beispiel Vorstandsmützen, Kartonbillette, Plakate oder Schreibmaschinen aus den Gründungsjahren der BLS.
Know-How von BLS-Mitarbeitenden
Insgesamt beherbergt BLS Historic in ihrem Depot in Burgdorf 21 Loks und Wagen. Neben dem «Blauen Pfeil» sind derzeit drei weitere Fahrzeuge fahrtüchtig. Damit sie auch künftig Ausfahrten auf dem Schweizer Schienennetz unternehmen dürfen, müssen sie gehegt und gepflegt werden. Und das ist teuer. Vor allem dann, wenn die Leistung in einer Werkstätte eingekauft werden muss: Allein die 10-Jahres-Revision des «Blauen Pfeils» schlägt mit rund 250'000 Franken zu Buche. Deshalb ist die BLS-Stiftung auf das Know-how von aktuellen und ehemaligen BLS-Mitarbeitenden aus unterschiedlichen Bereichen angewiesen. So zum Beispiel auf Beat Probst. Als ehemaliger Diagnostiker in der Werkstätte Oberburg kennt er sich mit den historischen Loks aus. Kleinere Reparaturen können so direkt im Depot durchgeführt werden.
Zischend kommt der «Blaue Pfeil» auf einem Abstellgleis in Langnau zum Stehen. Auch für Peter und Esther war es einmal mehr ein grossartiges Erlebnis. Während Esther die angefangenen Weinflaschen zurück in den Kühlschrank stellt, verschwindet die Chartergesellschaft in der Bahnhofsunterführung. Zeit für eine Pause, bevor es am Nachmittag zurück in Richtung Biel geht.
«Mir gefällt die Abwechslung. Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen, als wenn ein Tag wie der andere ist».
Peter Rytz, Teamleiter Lokpersonal BLS
«Mich fasziniert das Alte, Nostalgische. Das hängt sicher auch mit Erinnerungen an die Kindheit zusammen».
Esther Hofer, ehemalige Reisebegleiterin BLS
Der Zeit voraus
Der «Blaue Pfeil» war zu seiner Zeit eine technische Errungenschaft. Mit zwei fest miteinander verbundenen Triebwagen mit jeweils einem eigenen Führerstand, revolutionierte er den Personenverkehr. Insgesamt drei solche Doppeltriebwagen hat die BLS Ende der 1930er-Jahre in Betrieb genommen. Durch ihre Bauweise waren die Züge leichter und verursachten weniger Kosten als die lokbespannten Züge. Bis Anfang der 1980er-Jahre waren die drei Fahrzeuge die Stütze des Personenverkehrs der BLS. Wegen den steigenden Fahrgastzahlen mussten sie dann verkauft und durch Züge mit höherer Kapazität ersetzt werden.
Willst auch du dich engagieren?
Ob aktiv bei der BLS oder pensioniert: Mit deinem Know-how kannst du BLS Historic dabei unterstützen, das Erbe der BLS zu bewahren und für zukünftige Generationen zu erhalten.
Bitte einsteigen!
Du musst keinen Zug chartern, um die Vergangenheit zu erleben. BLS Historic führt regelmässig öffentliche Fahrten durch, zum Beispiel Weinfahrten mit dem «Blauen Pfeil» oder Bierfahrten im Nostalgiezug.
Von Stefan Locher und Philip Salzmann