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Die «Blümlisalp» im Winterschlaf

Im Winter hat die BLS die «Blümlisalp» flott gemacht für die neue Saison: Böden werden geschliffen und Algen von der Schiffsschale geputzt, einer der beiden Dieselmotoren wird ersetzt und erhält einen Partikelfilter. Es sind schweisstreibende Arbeiten – aber dank der neuen Werft am Thunersee geht den Mitarbeitenden der BLS Schifffahrt alles ein bisschen leichter von der Hand.

Als kurz vor Mittag das Werfttor geschlossen wird, ist es so weit: Die «Blümlisalp», das mehr als 100-jährige Dampfschiff der BLS, steht tatsächlich erstmals in ihrem langen Leben komplett «am Schärme». Hans Stucki sagt: «Das mag ich ihr gönnen.» Dann erzählt er die Geschichte, die hier jeder kennt. Von der alten Werft, die zu klein war für die «Blümlisalp», sodass der Kamin abmontiert werden musste und das Heck des Schiffs jeweils um mehrere Meter aus dem offenen Tor ragte. Aber diese Zeiten sind vorbei. Denn vor zwei Jahren hat die BLS die alte Thunerseewerft abgerissen und am gleichen Ort ein modernes Trockendock gebaut – eine riesige Badewanne, in die man die Schiffe hineinzieht, um anschliessend das Wasser abzulassen. Am 15. Januar nun haben 20 Männer unter den Anweisungen ihres Werftleiters Hans Stucki die «Blümlisalp», das grösste Thunerseeschiff, erstmals für Sanierungsarbeiten in dieses Trockendock gezogen. An Seilen – mit reiner Muskelkraft. Denn das Dock ist zu eng, um grosse Schiffe mit Motorantrieb zu manövrieren. Also hat Hans Stucki, den hier alle Housi nennen, seine stärksten Männer aufgeboten. Sie haben gezirkelt, gezielt und sich zugerufen: «Zieh du etwas mehr!» – «Mir geht der Platz aus!» Einparken für Fortgeschrittene.

Der Bund kontrolliert jede Schraube

Am nächsten Morgen ist das Dampfschiff Blümlisalp aufgestapelt, wie die Schiffsspezialisten sagen: 20 Rollwagen stemmen es einen knappen Meter über den Boden, vier seitliche Stützen spannen es ein wie in einen Schraubstock. Die 4,5 Millionen Liter Wasser hat man aus dem Trockendock zurück in den Thunersee gepumpt. Vom Schiffsdeck aus hallt das Rasseln von Ketten durch die riesige Werft. Mithilfe von Kettenwinden operieren fünf Männer einen der beiden Dieselgeneratoren, die das Schiff mit Strom versorgen, aus dem Schiffsbauch.

Der Generator wird durch ein neues Modell mit Partikelfilter ersetzt. Millimeter für Millimeter bugsieren die Männer das etwa eine Tonne schwere Ungeheuer über das Schiffsdeck, unter der schicken Holztreppe hindurch und schliesslich über die Reling ins Freie. Zurück bleibt ein drei Meter tiefes Loch im Schiffsbauch. Daneben erfährt die «Blümlisalp» diesen Winter kleine Sanierungsarbeiten: Der Zylinder bekommt neue Kolbenringe, das Heckruder wird neu justiert, der Schreiner flickt ein paar Bänke, die Geländer werden gestrichen, die Böden geschliffen und geölt. Für all diese Arbeiten bleibt das Schiff etwa zwei Monate in der Werft. Der Grund, weshalb es diesen Winter ausgewassert werden musste, liegt aber ein Stockwerk tiefer – bei der Schiffsschale. Das Bundesamt für Verkehr führt bei jedem Schiff alle vier bis sechs Jahre eine sogenannte Schalenkontrolle durch: «Schweissnähte, Schotträume, Dichtungen – jede Schraube wird kontrolliert», erklärt Housi. «Aber das ist gut so. Es ist ja in unserem Interesse, dass alles in Ordnung ist und unsere Schiffe sicher sind.» Damit sich die Schale kontrollieren lässt, muss sie geputzt werden. Deshalb steigt aus den Tiefen des Trockendocks der Sprühnebel der Hochdruckreiniger auf.

30 Treppenstufen führen hinab in eine andere Welt. Das Klima hier unten erinnert an eine Tropfsteinhöhle. Es riecht nach Feuchtigkeit. Der Lärm der Hochdruckreiniger dröhnt den Betonwänden entlang. Männer in schwarzen Plastik-Overalls spritzen den von Scheinwerfern beleuchteten Schiffsrumpf ab. Hier unten arbeitet der Schiffskapitän.

Keine Wollmützen mehr – dafür ein Hallenkran

Es ist eine Eigenheit der Schifffahrt: Die 80 Mitarbeitenden, die im Sommer die Crew auf den Schiffen stellen, ziehen im Winter die Werkstattkluft über. Aus Matrosen und Steuermännern werden Schreiner und Schlosser. Beat Krähenbühl ist im Sommer Kapitän, im Winter leitet er in der Werft die Malerarbeiten. Aber bevor er malen kann, muss er putzen. Beat schaltet den Hochdruckreiniger aus und wischt sich das Wasser aus dem Gesicht. Das sei sicher nicht die schönste Büez, sagt er: «Aber ich steuere unsere Schiffe ja im Sommer wieder über den See. Ich bin stolz, wenn sie sauber sind und den Leuten Freude bereiten.»

Zusammen mit einem seiner Mitarbeiter aus der Malerei braucht Beat etwa eineinhalb Tage, um das Schiff von der Schicht schmieriger dunkelgrüner Algen zu befreien, die an der Schale klebt. «Je glatter die Schale, umso besser gleitet das Schiff übers Wasser – wir verbrauchen damit weniger Treibstoff», erklärt Beat und macht sich auf, die Unterseite abzuspritzen. Der Mann ist sich auch nach 38 Jahren bei der BLS nicht zu schade, sich rücklings unter den Schiffsrumpf zu zwängen. Das hat wahrscheinlich nicht zuletzt mit den verbesserten Arbeitsbedingungen zu tun. «Dank der neuen Werft sind die Mitarbeitenden einfach motivierter», erzählt Housi. Kein Wunder, wenn einem zwei Hallenkräne schweisstreibende Hebearbeit abnehmen. Und wenn man keine Wollmütze mehr tragen muss, wie das in der alten, kaum isolierten Werftanlage der Fall war. Auch die direkt an die Werfthalle anschliessende Schreinerei und die Malerei hat die BLS gleichzeitig mit der Werft erneuert.

Mechaniker, Schlosser und Sanitärinstallateure sind im Gebäude nebenan untergebracht. In diesen Werkstätten erledigen die BLS-Mitarbeitenden fast alle Sanierungsarbeiten an den Schiffen selbst. Dabei ist jedes Teil, das Schlosser und Schreiner anfertigen, ein Einzelteil. «Wir haben neun Schiffe auf dem Thunersee, aber keines ist gleich wie das andere», betont Housi. «Jedes Schiff ist ein Prototyp.» Serienproduktion kennt die Schifffahrt nicht.

Das einzigartigste aller Schiffe

Doch unter all diesen einzigartigen Prototypen ist ein Schiff halt doch noch ein bisschen einzigartiger – das gibt Housi zu: Das Dampfschiff Blümlisalp ist der Star der Thunerseeflotte, was nicht nur an seiner Eleganz, sondern auch an der bewegten Geschichte liegt. Ende der 1960er-Jahre zur Verschrottung freigegeben, rostete das Schiff 20 Jahre lang in einem Baggerloch im Kanderdelta vor sich hin, bevor es auf Druck der Bevölkerung wiederbelebt wurde und 1992 seine zweite Jungfernfahrt feierte. Und es wird auch im Jahr 2019, nach überstandener Schalenkontrolle, wieder Tausende Ausflügler und Touristen über den Thunersee tragen. «Wenn das Schiff nach der Sanierung dann erstmals wieder rausfährt auf den See und hornt», sagt Housi, «da bekommst du Hühnerhaut.»

 

 

Text: Matthias Abplanalp 
Bilder: Raul Surace 
Film: Nicole Ferrari, Karin Aslani, Philipp Rüegsegger

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