Gräben zuschütten am Lötschberg
Am Fusse des Lötschbergs werden kulturelle Gräben zugeschüttet: Jedes Jahr reisen mehr als 10'000 Pfadfinder nach Kandersteg ins «international scout centre».
13'000 Pfadfinder im Jahr
Wenn man auf dem Autozug oder mit dem RegioExpress Lötschberger von Kandersteg nach Goppenstein fährt, sieht man dieses Haus auf der rechten Seite, kurz bevor man in die Dunkelheit des Lötschberg-Scheiteltunnels eintaucht. Genauer: das «international scout centre», das Zentrum der internationalen Pfadfinder- Bewegung. Rund 13'000 der weltweit 40 Millionen Pfadfinderinnen und Pfadfinder aus 200 Ländern verbringen hier jährlich ein paar Wochen Ferien. Das Haupthaus diente Anfang des letzten Jahrhunderts beim Bau des 14,6 Kilometer langen Tunnels schon den Mineuren und ihren Familien als Unterkunft.
Im Sommer klettern, wandern, biken oder raften die Pfadfinder, im Winter sind Skifahren oder Snowboarden Trumpf. Sie verbringen viel Zeit draussen, üben sich in den klassischen Pfadfinder-Disziplinen Orientierung, Knotenlehre oder Überleben in der Natur. Sie belegen Ökologiekurse, zum Beispiel zu Methoden des Recyclings, was manche aus ihrem Heimatland überhaupt nicht kennen. Im Rahmen des Projekts «Scouts go solar» werden zudem in Kandersteg Menschen aus der ganzen Welt im Bau von kleinen Solaranlagen ausgebildet, die man in ihren Heimatländern zur Energiegewinnung nutzen kann.
1,5 Millionen für die Region
Seit 2015 leitet Felipe Marqueis aus São Paulo in Brasilien diesen Non-profit-Tourismusbetrieb, der «jedes Jahr Aufträge in der Höhe von rund 1,5 Millionen Franken für die regionale Wirtschaft generiert», wie er betont. Ihm zur Seite stehen drei Festangestellte und rund 70 «Volunteers»: Das sind freiwillige Pfadfinderinnen und Pfadfinder aus der ganzen Welt, die im Schnitt während einem halben Jahr mit anpacken. Den Laden mit zumeist ungelernten Mitarbeitenden am laufen zu halten, ist keine leichte Aufgabe für den 28-Jährigen. Er müsse dabei immer als gutes Vorbild vorangehen, sagt er.
Im Alter von 10 Jahren ermutigten ihn seine Eltern, zu den Pfadfindern zu gehen, weil man dort «coole Ausflüge in die Natur machte und dabei versuchte, ein besserer Mensch zu werden.» Der kleine Felipe blieb dabei und trägt bis heute auch als Pfadfinder seinen bürgerlichen Namen. «Spezielle Pfadinamen, wie man sie in der Schweiz kennt, sind längst nicht überall üblich.»
Nach der Schule begann er an einer Musikakademie erst ein Gitarrenstudium mit dem Ziel Profi-Musiker. Dann reiste er als Freiwilliger nach Kandersteg, änderte hernach seine Ausbildungspläne und absolvierte ein Studium in Hotelmanagement. Nach Anstellungen in brasilianischen Hotels und Restaurants wurde er 2014 Vizedirektor in Kandersteg.
Tickets von der BLS
1800 Gäste finden in den verschiedenen Unterkunftshäusern auf einmal Platz, willkommen sind auch Nichtpfadfinder. Bei unserem Besuch wird eine Gruppe junger amerikanischer «scouts» gerade in die Knotentechnik eingeführt. Hunter Gardner, einer der Leiter, steht dabei und hält mit seinem Funkgerät Kontakt zu einer anderen Gruppe. In der Schweiz seien die Berge «viel imposanter und schöner» als in den USA, sagt Gardner, zudem sei es für sie eindrücklich, auf so viele unterschiedliche Menschen zu treffen. «Und das Angebot ist sehr vielfältig.»
Dazu trägt auch die BLS bei: Das BLS Reisezentrum am Bahnhof Kandersteg organisiert für die Pfadfinder viele Ausflüge in der ganzen Schweiz. Im Zentrum selber werden zudem Bahn- und Bus-Tickets für bestimmte Strecken verkauft. «Die Zusammenarbeit mit der BLS klappt sehr gut», sagt Felipe Marqueis. Er will noch ein paar Jahre in Kandersteg bleiben – und noch viele prägende Momente erleben.
Text: Peter Bader
Bilder: Anita Vozza
Weiterführende Links
- kisc.ch Kandersteg international scout centre
- solafrica.ch Solafrica - NPO zur Förderung der Solarenergie in Afrika
Wanderwege sind in der Schweiz beliebt und selbstverständlich. Um das Netz in Schuss zu halten, zu erneuern und zu erweitern, ist jedoch ein hoher Aufwand nötig. Auch die BLS hilft mit: mit einem neuen Wanderweg an der Lötschberg-Nordrampe und einer Vision Richtung Süden.